Warum diese CD:
Ein Österreicher ist der hochdekorierteste Kabarettist Deutschlands, genauer gesagt der
DDR. Drei hohe staatliche Auszeichnungen in fünfundvierzig Jahren Arbeit als Kabarettist
im real existierenden Sozialismus, davon knapp die Hälfte als Direktor – damit ist Otto
Stark einsame Spitze in der Satirelandschaft der DDR. Der Covertext einer Distel-LP aus
dem Jahre 1980 lüftet ein wenig das Geheimnis um dieses Phänomen: "Otto Stark ist
Vertreter der harten politischen Satire – aber so, daß man’s nicht merkt. Seine Devise: „Was
man nicht mehr sagen kann – wird gesungen. Was gesungen immer noch zu hart klingt
– wird vertanzt."
Otto Stark ist Wiener, von Geburt und Gemüt. Berlinisiert wurde er durch Ilse Maybrid,
einem auch heute noch quirligen Energiebündel („Miss BEWAG“) aus Johannisthal. Und
genau in dieser Mischung aus sich fast überschlagendem Berliner Temperament und überlebensorientiertem
Wiener Schmäh bestimmte Otto, in Ehe und Kabarett mit Ilse vereint, bis
zum Untergang der DDR das hauptstädtische Vorzeige-Kabarett Distel.
Entdecken lassen sich mit Liedern und Texten aus mehr als 20 Distel-Jahren zwei Gegensätze,
die seit ihrem zufälligen Zusammentreffen vor dem Schwarzen Brett im Berliner
Theater der Freundschaft im Jahre 1951 noch heute wie unzertrennlich zusammen(k)leben.
Unabhängig voneinander und nahezu zeitgleich hatten beide während des Krieges ihre
Liebe zum Kabarett entdeckt – sie im Berliner Variete Europahaus am Hamburger Bahnhof,
er im Londoner Exiltheater Laterndl. Bei erster sich bietender Gelegenheit, es war an Sylvester
1954, stellten sie sich gemeinsam mit sechs Schauspielerkollegen als Herkuleskeule auf
die Bühne des Dresdner Staatstheaters. Fortan wurde die Zweisamkeit durch das Kabarett
bestimmt, mitunter sogar so sehr, dass es einige Kabarettkollegen verdross, letzteres vor
allem ab dem Zeitpunkt, als der "begnadete Komödiant" aus dem Wiener Arbeiterbezirk
Ottakring zum Direktor der Distel avancierte.
Im Frühjahr 1990 war es vorbei mit dem Aufbau des Sozialismus. Damit entfiel auch für
Otto Stark die Motivation, diesen mit den Mitteln der Satire aktiv zu unterstützen. Er übergab
seinen Direktorenposten und wurde wieder "Nur-Kabarettist". Er ist es bis heute geblieben.
Und gut behütet von Ilse fühlt er sich wohl in dieser seiner ursprünglichsten Rolle.